Wie über tragische Ereignisse wie jenes in Graz berichtet werden soll - und wie nicht

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Scharfe Kritik an der Veröffentlichung von Videos von der Tat und der Evakuierung. Täter soll nicht zu viel Raum geboten werden.

Schreckliche Ereignisse wie der Amoklauf in Graz werfen immer auch ein gleißendes Licht auf die Medien. Auf jene, die trotz der Dramatik  gesicherte Information bieten, offenlegen, welche Tatsachen noch unklar sind, einordnen, ohne sensationsheischend zu sein, ethische Richtlinien einhalten - und jene, die das nicht tun. 

So gibt es scharfe Kritik daran, dass ein rechter Nischensender sowie Boulevardmedien Aufnahmen vom Amoklauf und der Evakuierung der Schülerinnen und Schüler veröffentlichten. Aber auch abseits derartiger Grenzüberschreitungen gibt es vielfältige Herausforderungen und Fragen der Tonalität, der Zurückhaltung bei Spekulationen und der Form der Berichterstattung.  

Bei Großereignissen ist das Informationsbedürfnis besonders hoch. In den Sozialen Medien machen rasch und ohne redaktionelle Maßstäbe unverfizierte Informationen die Runde. Eindringlich bittet die Exekutive, keine Videos und Bilder von der Tat oder aus dem unmittelbaren Umfeld auf den Sozialen Medien zu veröffentlichen. 

Wer im Besitz von Aufnahmen von der Tat oder auch aus dem Umfeld ist, kann mit diesen die Ermittlungen unterstützen: Es gibt eine Upload-Stelle des Innenministeriums, dort werden diese dann analysiert.

Die Veröffentlichung in Medien und auch in Sozialen Medien kann Folgen nach sich ziehen - Persönlichkeitsrechte etwa können verletzt werden. Deshalb und wegen Einhaltung medialer Ethikmaßstäbe sehen Medien von einer solchen Veröffentlichung ab.

AUF1 nun hat auf der Plattform Telegram mehrere "exklusive" Aufnahmen veröffentlicht, auf denen angeblich Schüsse zu hören sind; ebenso angebliche Aufnahmen von abgedeckten Todesopfern. Auch die BILD-Zeitung verbreitet zumindest ein Video aus dem Umfeld der Tat, die Kronen Zeitung und Puls24 zeigen flüchtende Schülerinnen und Schüler bei der Evakuierung (die Krone sogar am Print-Cover). Eine Seite bei OE24.at, die laut Google "das erste Video vom Amoklauf" zeigen sollte, ist inzwischen offline. 

Die Veröffentlichung solcher Aufnahmen wird von Medienwissenschaftlern so gut wie einhellig abgelehnt: Sie erfüllen kein weiterführendes Informationsbedürfnis, stellen Notsituationen von Menschen ohne deren Einwilligung aus und sind mit dem Vorwurf der Sensationsheischerei konfrontiert.

Eine weitere Frage ist die der Balance zwischen dem legitimen Informationsbedürfnis über den Täter und der Gefahr, mit zu detaillierter Information Nachahmungstaten zu befördern. Es sei am besten, so wenig Auseinandersetzung wie möglich mit der Person des Täters zu bieten, sagte der Jugendpsychiater Paul Plener in der "ZiB 2". Bei der Berichterstattung gelten ähnlich enge Maßstäbe wie bei Suiziden, über die im Normalfall überhaupt nicht berichtet wird.

Die Beiziehung von Experten sowie das Liefern von Hintergrundinfos ist wiederum Best Practice in der Berichterstattung. Hier jedoch geraten  weitere mediale Herausforderungen ins Treffen: Gerade Fernsehsender tun sich in unklaren Meldungslagen und bei entwickelnden Informationen schwer mit Live-Berichterstattung. Sowohl Puls24 als auch der ORF (der sich zu Beginn der Ereignisse sichtlich schwer tat, in die Gänge zu kommen) zogen zahlreiche Experten vor allem aus dem Psychologiebereich bei, der Erkenntnisgewinn verlor sich aber zunehmend.

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