Studie: Straßenlärm macht dick und schadet der Leber

Wer in einem lauteren Wohnumfeld lebt, lagert mehr Fett ein.
Von Elaine Poet
Wer an einer vielbefahrenen Straße wohnt, riskiert nicht nur schlechteren Schlaf, sondern auch gesundheitliche Langzeitschäden – selbst dann, wenn man sich an den Lärm längst gewöhnt hat. Eine neue Studie des Helmholtz Zentrums München und der Ludwig-Maximilians-Universität liefert nun Belege, dass Straßenlärm direkt mit einer Zunahme von Fettdepots im Körper zusammenhängt. Besonders betroffen ist die Leber. Darunter leiden können auch Menschen mit Normalgewicht.
Die Forschenden werteten MRT-Daten von 2014 bis 2016 aus, die im Rahmen der großangelegten NAKO-Gesundheitsstudie erhoben wurden. Über 11.000 Personen nahmen teil. Mithilfe eines KI-gestützten Analyseverfahrens konnten die Forschenden Fettverteilungen und -volumen im Körper präzise erkennen. Um Zusammenhänge zu erkennen, wurden die MRT-Ergebnisse mit Daten zur Straßenverkehrslärmbelastung in Deutschland des Europäischen Umweltinformations- und Umweltbeobachtungsnetz (EIONET) verknüpft.
Gefährliches Leberfett
Die Weltgesundheitsorganisation WHO stuft Lärm ab 53 Dezibel als gesundheitsschädlich ein. Doch selbst darunter zeigten sich in der aktuellen Studie bereits Veränderungen im Stoffwechsel. Der alltägliche Straßenlärm liegt häufig zwischen 50 und 70 Dezibel – mit messbaren Folgen. Wer in einem um zehn Dezibel lauteren Umfeld lebt, hat im Schnitt mehr Leberfett, so die Ergebnisse.
Besonders kritisch ist die Zunahme des Leberfetts. Denn es kann das Risiko für Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen. Auffällig ist: Frauen ohne Vorerkrankungen lagerten besonders viel Leberfett ein. Männer mit Bluthochdruck und Übergewicht hingegen zeigten vor allem mehr Unterhautfett.
Mitverursacher Cortisol
Den Grund dafür orten die Foscher in der Reaktion unseres Körpers auf chronischen Stress. Straßenlärm, vor allem nachts, stört den Schlaf und versetzt den Körper in einen Stresszustand. Der Körper wird in Alarmbereitschaft versetzt, woebi vermehrt das so genannte Stresshormon Cortisol ausgeschüttet. Stresshormone dienten evolutionär dazu, den Körper auf Flucht oder Kampf vorzubereiten. Cortisol wiederum beeinflusst die Art, wie Energie gespeichert wird, nämlich vermehrt in Form von Fettreserven. Diese Strategie, die in der Evolution, und etwa auch in Zeiten von Nahrungsknappheit, sinnvoll war, ist heute aber gesundheitlich problematisch, vor allem kombiniert mit Bewegungsmangel und ungesunder Ernährung.
Mehr Prävention
Rund 20 Prozent der Menschen in der EU leben dauerhaft in Gebieten mit Lärmwerten über 55 Dezibel. Doch auch niedrigere Werte sind laut der Studie bedenklich. Problematisch ist, dass aktuelle Lärmkartierungen vor allem urbane Räume und Hauptverkehrsadern erfassen. Ländliche und suburbane Regionen bleiben außen vor – trotz teilweise ähnlicher Belastung.
Die Ergebnisse zeigen: Der Einfluss von Lärm auf den Stoffwechsel ist unabhängig von anderen Faktoren wie Luftverschmutzung, Vorerkrankungen oder Lebensstil. Deshalb fordern die Forschenden, Lärmprävention künftig in Gesundheitsstrategien einzubinden – nicht nur in Hinblick auf Psyche und Gehör, sondern auch auf Fettstoffwechsel und Organfunktionen. Gefordert werden unter anderem niedrigere Lärmgrenzwerte, präzisere Lärmkartierungen und ein Monitoring auch außerhalb der Städte.
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